In der Dunkelkammer - Performing Arts Festival Blog 2018

In der Dunkelkammer

10. Juni 2018

KRITIKEN

„Glühende Rätsel“ von FREMT entführt das Publikum in eine beklemmend-unheimliche Atmosphäre.

In gebückter Körperhaltung kommt er, eine Laterne in der Hand. Dunkelheit hat sich bereits über die  Stadt gesenkt, als er ruft: „Come! Come!“ Hüpfend biegt er um die Ecke. Die etwas verwirrte kleine Gruppe von Menschen folgt ihm zögerlich. Maciej Marzek führt uns zu einer weiß verhängten Tür, betritt den dunklen Raum und lädt uns ein, es ihm nachzutun. 

Eine alte Scheune, die dem Kollektiv Club Real gehört, ist heute Schauplatz für „Glühende Rätsel – 

Glowing Puzzle“ von FREMT, einer dreiköpfigen Gruppe, die hier ihr erstes Stück präsentiert. Premiere hatte es im November. Fürs PAF wurde es leicht angepasst. 

FREMT hat sich ihre Szenencollage laut Ankündigungstext „von nächtlichen Begegnungen, Träumen und Missgeschicken inspirieren lassen“ und nutzt dafür den ganzen Raum: eine verstaubte, düstere Scheunenhalle mit einem vollgerümpelten Dachboden und zwei kleinen Kammern. Hier leuchten wild die Szenen auf, unvorhersagbar: Eben sehen wir jemandem zu, wie er trällernd in gedimmtem Licht hinter einer wallenden Plastikfolie duscht. Dann Dunkelheit, bis aufflammendes Scheinwerferlicht sich auf einen hinter einer Tür in unserem Rücken herauspolternden Spieler richtet, der laut exklamiert, dass er sich Satan opfern will. 

Auf einem Bett mitten in der Scheunenhalle räkelt sich Federica Spinello in Selbstumarmung, knutscht zärtlich ihre Hand. Ein Nachtlicht zeichnet ihre Konturen weich. Zur Musik von „Only you“ von The Platters tanzt sie Zuschauer an, bis sie sich einen erwählt, um mit ihm eine Nacht, einen kurzen Moment nachzuspielen, den sie miteinander teilten. Dann ist da Dimitri Cacouris, der im Licht einer Kopftaschenlampe von Federica Spinello immer und immer wieder zerquetscht wird – ein Schattenspiel. Dann gibt es eine etwas verschroben wirkende Frau, die vom nächtlichen Treiben ihrer Nachbarn berichtet, bis alle auf einmal verstummen und sie in Panik gerät.

Der Abend und die Räumlichkeit verströmen eine beklemmend-unheimliche Atmosphäre, die gleichzeitig Anziehungskraft besitzt. FREMT spielt damit: „Das ist die Sprache des Raumes.“ Ziel der Gruppe war es, eine Stimmung einzufangen, ein Gefühl zu transportieren. Das gelingt ihnen.  Wenn sie anschließend draußen vor der Scheune dazu einladen, die Spielstätte noch einmal bei hellem Licht zu betrachten, empfängt einen ein völlig anderer Ort. „Thank you for staying with us in the dark“, sagt Federica Spinello, bevor neugierige Zuschauer noch einmal eintreten. Ein Zuschauer antwortet: „Thank you for your performance“. 

Von Thu Ngoc Trinh