Glückliche Menschen
5. Juni 2018
Der Choreograf Nir de Volff hält seinem Publikum den Spiegel vor. Drei Männer, die sich umeinanderschlingen, ineinander verknoten und dabei der Laokoon-Gruppe gleichen. Sie erkunden syrische Landestänze, Jazz und Modern Dance.
„Come as you are #2017“ zeigt drei syrische Tänzer, die aus ihrer Heimat geflohen sind und nun mit ihren Körpern davon erzählen, wie sie mit ihrer Geschichte, ihren Traumata und den kulturellen Schwierigkeiten umgehen. Immer wieder wird arabische Musik gespielt und die drei Männer erzählen mit Mikrofonen über ihre Tanzausbildung in Syrien, ihre Ziele und Erfahrungen.
„Come as you are #2017“ ist der bisher größte mediale Erfolg des israelischen Choreographen Nir de Volff. „Es trifft den Kern der deutschen Debatte um die Flüchtlinge“, sagt er selbst über seinen Abend, beschreibt ihn als Spiegel der Realität. Eine Choreografie, die „zur richtigen Zeit am richtigen Ort gezeigt wird.“ Jetzt ist sie beim Performing Arts Festival Berlin zu sehen, bevor sie auf eine kleine Tournee geht.
Volff greift in seiner Kunst aktuelle Themen der Politik und Gesellschaft auf, um sie dem Publikum szenisch zu spiegeln. Vier Jahre lang arbeitete er mit dem Regisseur Falk Richter zusammen, der in seinen Werken ähnlich wie Volff die Durchdringung von Politik und Gesellschaft thematisiert. Als Choreograph wirkte er an Stücken für die Schaubühne Berlin und das Gorki Theater mit. Volff beschreibt die Zusammenarbeit als produktiv: „Wir haben uns für die Zusammenarbeit entschlossen, als klar war, dass wir sehr unterschiedlich sind und aus diesen Unterschieden großen Gewinn ziehen können“, erzählt Volff in einem Café an der Schönhauser Allee.
Er ist mit seinem Fahrrad da und trägt ein gemütliches Outfit, das den Anschein erweckt, er sei auf dem Weg zum Tanztraining. Volff wirkt nicht wie das klassische Tänzerideal – federnd, grazil, schlank bis zur Magersucht, dabei mit den Muskeln einer griechischen Statue. Sein eher stämmiger Körperbau würde auf den ersten Blick nicht vermuten lassen, dass da einer sitzt, der international Tanz-Workshops gibt.
Aber Tanz besteht ja längst nicht nur aus Sprüngen und Pirouetten, sondern vor allem aus beherrschten Körpern im Raum. Beim Tanzen entwickelte Volff eine Technik, die er Use Abuse nennt und bei der es darum geht, die Bewegungen mit dem Atem zu verbinden, sodass eine größere Ausdauer möglich ist. In seinen Workshops möchte er den Menschen Raum und Zeit geben, diese Verbindung zu erkunden und anzuwenden. „Meine Verbindung zu meinem Körper und Gehirn ist auf 200 Prozent“, sagt er – und will das weitergeben: „Ich unterrichte mit einer leichten Energie und die Leute gehen anschließend glücklich nach Hause.“
Während des gesamten Interviews strahlt er eine innere Gelassenheit aus, lässt sich allerdings nie zu einem Lachen hinreißen, bleibt ernst. Als das Gespräch auf Berlin kommt, verdunkelt sich seine Miene noch mehr. Einerseits ist die Stadt seit vielen Jahren seine Wahlheimat; viele seiner Projekte sind hier entstanden. Andererseits ist die finanzielle Förderung seiner Kunst seitens der Stadt überschaubar, sagt er: „Meine Realität in Berlin ist sehr grau.“ In Zukunft will er sich lieber auf internationale Beziehungen konzentrieren.
„Come as you are #2017“ läuft am 10. Juni um 20 Uhr im Dock 11 Eden.
Von Luiza Weiß