Hässlich, aber mit Sogwirkung - Performing Arts Festival Blog 2018

Hässlich, aber mit Sogwirkung

9. Juni 2018

KRITIKEN

Markus Riexinger und Kollegen kreieren mit „Die Irische Fassade/Tod“ im Weißenfelder Theater eine Nonsens-Collage.

Moppel und Tobbi suchen die Frau ohne Möse. Szenenwechsel: Der Chor „Die dissonanten Dilettanten“ singt „Ich wollt ich wär ein Huhn“ –  Frau im Hühnerkostüm inklusive. Szenenwechsel: Jan-Urs Hartmann küdndigt einem Unbekannten lautstark die Freundschaft, weil dieser sein schmerzlich vermisstes Zigarettenetui verschlampt hat. Szenenwechsel: Markus Riexinger und Florian Wandel improvisieren aus einem Fenster des ersten Stocks auf die Zuschauer herab ein Gedicht. Unten übersetzt Thomas Georgi es in Unterhemd und Reifrock zeitgleich in Ausdruckstanz. 

Was wirkt wie ein schlechter Pilztrip ist eine Zusammenstellung verschiedener Kurzstücke des Titanic-Autors Markus Riexinger. Inszeniert haben Johanna Hasse, Fränk Heller, Rike Reiniger und der Autor selbst, was auch die sehr unterschiedlichen Stile zwischen szenischer Lesung und freiem Spiel erklärt. Sie alle eint der schwer oder auch gar nicht erkennbare Sinn.

Verstärkt wird die rätselhafte Wirkung durch das Bühnenbild von Nora Jentzsch. Immer weiter schrauben sich Kreise aus weißer Kreide um einen Mast, auf dem ein weißer Wasserball befestigt ist. Unter den Füßen des ebenfalls im Kreis angeordneten Publikums finden sie ihr Ende. Auch das Treppenhaus, welches den Innenhof umgibt, in dem sich das Weißenfelder Theater open air befindet, wird bespielt. Da es sich bei den Wohnungen um Ferienunterkünfte handelt, laufen immer wieder irritierte Touristen mitten durch die Szenerie. 

In „Die Irische Fassade/Tod“ verschwimmen die Grenzen von Inszenierung und Realität. Die Schauspieler sitzen in ziviler Kleidung mitten im Publikum und treten teilweise erst zum Ende des Abends als solche in Erscheinung. Nachdem sich alle verbeugt haben und abgegangen sind, bleibt das Publikum irritiert sitzen. „Im Programmheft stand doch das geht ne halbe Stunde länger?“ Markus Riexinger und Florian Wandel treten wieder auf. „Ja sag doch mal Markus, was soll das denn jetzt gewesen sein? Schwelgst du hier in Selbstreferenzialität? Ich verstehe dein Stück nicht.“ Ob das gerade eine Nachbesprechung, eine Improvisation oder eine geprobten Szene ist, lässt sich nicht ausmachen.

„Ich hasse die irische Fassade. Sie ist total hässlich, aber wenn man einmal angefangen hat, sie anzugucken, kann man nicht mehr damit aufhören.“ Dieser Riexinger-Satz über die titelgebenden Wand lässt sich auch auf den Abend anwenden: Oft verwirrt er, ergibt selten einen Sinn. Trotzdem hat er eine schwer zu fassende Sogwirkung – macht an manchen Stellen richtig Spaß.

Von Christina Reuter

Wieder Samstag, 19 Uhr.