Menschen einfach mal Menschen sein lassen? - Performing Arts Festival Blog 2018

Menschen einfach mal Menschen sein lassen?

8. Juni 2018

KRITIKEN

„Mongoflipper“ zeigt das Auf und Ab einer Probe im Theater der Unterdrückten.

Der Mensch ist Mensch

MariaKron provoziert im Theaterdiscounter mit ihrer politisch inkorrekten Farce „Mongoflipper“.

Bernd wird auf den Bühnenboden gedrückt, in eine goldene Rettungsdecke eingewickelt und mit Klebeband fixiert, während seine Kollegen den Schauspieler mit Down-Syndrom mit Donuts ersticken wollen. Unter Protest verkündet dieser jedoch weiter den Aufstieg von Hitlers neuem Volk, das aus all den abgetriebenen Kindern mit einer Behinderung in Deutschland bestehen soll – das Ergebnis eines komplett eskalierten Abends.

Die Gruppe MariaKron entwickelte „Mongoflipper“ bereits 2014, zeigt es seitdem in ganz Deutschland – in Berlin im Theaterdiscounter, wie jetzt beim Performing Arts Festival. „Mongoflipper“ beginnt mit dem Stück im Stück “Pascals Reise ins Glück – Operation Germanenkind”. Nach einer absurden Performance von Menschen in weißen Ganzkörperanzügen, die auf einer grasbedeckten kleinen Bühne und Glitzerverdeck Rehe spielen, unterbricht Regisseur Georg aus dem Zuschauerraum heraus das Geschehen. Von nun an zeigt MariaKron den Probenprozess und arbeitet sich dabei mit Humor an allen möglichen Klischees ab, die über die Theaterwelt existieren. Alle Gestalten eines typischen Ensembles sind vertreten: der mit Minderheitskomplexen behaftete Nebendarsteller, der obereifrige Regisseur mit einem eher lächerlichen Sinn für Ästhetik, die hübsche junge Schauspielerin, die die Rolle nur wegen kleiner Gefälligkeiten bekam und der aufstrebende Regieassistent, der nur auf den Moment wartet, das Ruder an sich zu reißen. 

In ihrer Mitte steht der Protagonist und Hauptdarsteller Bernd, der in “Pascals Reise ins Glück” wegen seiner Behinderung Pascal darstellen muss, der Trisomie 21 hat und sich entschließt, ein „normaler“ Junge zu werden. Zunächst wird Bernd von seinen Kollegen verhätschelt, gaukeln sie ihm Akzeptanz vor. Aber schon bald herrschen Verachtung und Abscheu. Im Verlauf der Probe entwickelt sich Bernd mit seiner Sehnsucht nach völkischer Gemeinschaft, die von nationalsozialistischem Gedankengut gespeist werden, zum Intriganten und äußert dies in lautstarken Parolen und Monologen. Nach und nach verliert auch das Ensemble die Fassung, schlägt Achtung und Respekt in Aggressivität und Gewalt um.

Inspiriert von einem früheren Schauspielkollegen mit Down-Syndrom, der sich rassistisch äußerte, stellt MariaKron die Kunstfigur Bernd in den Mittelpunkt des Abends. Schauspielerin Verena Unbehaun versucht gar nicht erst, einen Menschen mit Trisomie21 darzustellen, sondern hält sich an die bellende Extravaganz eines Klaus Kinski – was mitunter ziemlich übertrieben wirkt. Gegen Ende entwickelt sich jeder auf der Bühne zu einem Querulanten, schlagen  sich alle die Köpfe ein, versinkt die Inszenierung komplett im Chaos. Da verliert die klischeebehaftete komödiantische Theaterprobe mit den immer gleichen, lauten Schreimonologen ihre Echtheit, Fokus, Witz.

Die Farce will die Arbeit mit Randgruppen im Theater beleuchten, der Verniedlichung von Menschen mit Behinderung auf der Bühne ein Ende setzen, sagt Regisseur Cornelius Schwalm beim anschließenden Publikumsgespräch. Der Mensch soll einfach mal wieder Mensch sein. Für diese schlichte Botschaft aber betreibt „Mongoflipper“ einen ziemlich großen Aufwand.

Von Antonia Kaminiczny