Tragikomische Widersprüche
8. Juni 2018
Jahman Davine probt in „Sisyphus in Violent Torment“ die Kunst des Scheiterns.
Kunstnebel wabert einem entgegen, wenn man den Theaterraum im Acker Stadt Palast betritt. Eine eigentümliche Atmosphäre herrscht hier, macht die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit durchlässig. Laute Musik dröhnt aus den Boxen, eine kontrastive Mischung aus harten und teilweise schrammenden Klängen und angenehmen elektrischen Tonfolgen. Dann betritt Jahman Davine die Bühne.
Seine Hauptfigur erinnert äußerlich stark an Oliver Hardy: seine körperliche Präsenz, der Anzug, die zu kurzen Hosen und natürlich die unverwechselbare Melone. Im Gegensatz zum Original spricht Davine mit einer hohen Stimme und kindlich wirkendem Humor. Die Figur scheitert immer wieder an einfachen Aufgaben wie der Begrüßung des Publikums. Selbst, als sie gelingt, wirkt sie noch unvollständig. Im Dunkeln versucht Davine, mit Streichhölzern und Holzstücken verschiedener Länge Licht zu erzeugen – und verbrennt sich natürlich vor Ende der Ansprache die Finger. Als dann die Scheinwerfer die Aufgabe übernehmen, begrüßt Davine das Publikum in einer Vielzahl von Sprachen. Erschöpfend scheint aber auch diese Anstrengung nicht zu sein. Immer noch wirkt die Figur unsicher, unvollendet und versucht, dies mit einer kindlichen Mischung aus Optimismus und Freundlichkeit zu überspielen.
Laut Kurzportrait im Festivalprogramm sucht Davine, „eine neue Form der darstellenden Künste [zu] definieren, die unabhängig von anderen Kunstformen steht, um eine einzigartige Möglichkeit einer außergewöhnlichen Gruppenerfahrung zu bieten“. Das allerdings ist ein hoher Anspruch – und nicht besonders neu. Vor allem: „Sisyphus In Violent Torment“ löst ihn nicht ein.
Davine stellt einige absurde Erfahrungen menschlichen Lebens dar. Verständigungsschwierigkeiten auf sprachlicher Ebene – er lallt fast permanent in einer nervtötenden Phantasiesprache –, die inhaltliche Leere und tragikomische Widersprüchlichkeit einer Beziehung, in der die Frau als Gummipuppe zum Objekt gemacht wird, das Grauen des Krieges in den projizierten Videosequenzen von Atombombenexplosionen. Ja, Beziehungen können furchtbar sein, Kriege sind es sowieso und nukleare Explosionen noch viel mehr – und dann? Ja, dann eben nichts. Keine weitere Auseinandersetzung findet statt. Das alles wusste man auch schon vorher.
Die inhaltliche Beliebigkeit entspricht der ästhetischen – immerhin das ist konsequent. So gehen Davines spielerische Ansätze in abgenutzten, oberflächlichen Bildern unter. Davine präsentiert eine Abfolge szenischer Tableaus, in denen verschiedene Elemente in unterschiedlicher Kombination zusammenwirken – sein Spiel, an die weiße Rückwand des Bühnenraums geworfene Präsentationen und Videoanimationen, Musik, Licht und der phasenweise in den Raum geblasene Kunstnebel, der die Verbindung zwischen Bühne und Zuschauerraum stärkt. Das kann man so oder so ähnlich schon seit Jahren sehen. Auch der besondere Witz, dass Davine mit einer eingeblendeten Videoanimation seiner selbst spielt, ist nun wirklich nicht neu.
Eine „neue Form“? „Außergewöhnliche Gruppenerfahrung?“ Nun ja. Ratlos verlässt man die Veranstaltung und freut sich über die eigene Erlösung.
von Thomas Erlenhardt