Stolpern, stocken, stoßen - Performing Arts Festival Blog 2018

Stolpern, stocken, stoßen

1. Juni 2019

KRITIKEN

In ihrem Solo „Darjia Divan“ erkundet Lea Pischke Kommunikation meist wortlos.

Eine Performerin steht auf der Bühne und kann nicht sprechen. Sie bewegt die Lippen und gestikuliert, dennoch bleibt sie stumm. Ihre Gesten wiederholen sich energisch, sie zu entziffern jedoch fällt schwer. Dieses wortlose Gegenüberstehen von Performerin und Publikum macht einen großen Teil des Solos „Darjia Divan” aus, in dem Lea Pischke in Sprache und Bewegung nach Ausdrucksformen sucht. Dabei scheitert sie immer wieder, kombiniert und erfindet neu.

Leitmotiv dieses Suchprozesses ist eine Tanzfigur: die Arabeske. Während diese Figur eher aus dem klassischen Tanz bekannt ist, experimentiert Lea Pischke damit, die Arabeske in unterschiedliche Bewegungsformen zu integrieren, von Folklore über Hip Hop hin bis zu laut wummerndem Techno. Faszinierend zu beobachten ist dieser Prozess deshalb, weil er nicht geschmeidig funktioniert: Die Bewegungen stolpern, stocken, stoßen aneinander. Es entsteht eine oszillierende Bewegungssprache, die uns mal vertraut verkommt und sich im nächsten Moment wieder entzieht. Ähnlich wie der arabische Dialekt Darjia, mit dem Lea Pischke ihre Geschichte der Arabeske vergleicht und der fast durchgängig stumm über ihre Lippen fließt. Als sie ihn kurz anklingen lässt, meint man Worte wiederzuerkennen oder vertraute Klänge zu hören.

Geschickt spielt der Abend mit dem Publikum: Gerade scheint die Performerin noch in ihren Tanzbewegungen versunken, im nächsten Moment findet sie sich zwischen den Zuschauer*innen wieder. Auffallend ist dabei auch das sanft geführte Licht (Emilio Cordero Checa und Reinier Martínez Badilla), das der Performerin mal den Weg ins Publikum weist, mal durch Seitenlicht die Silhouette ihrer Bewegungen hervorhebt. Dennoch scheint während der Performance immer eine gewisse Distanz, eine Unmöglichkeit des Verstehens zwischen Performerin und Publikum auf. Deshalb ist es der intensivste Moment des Abends, als Lea Pischke nach vorne kommt, ihren Blick in den eines Zuschauers bohrt und unglaublich langsam rückwärts läuft, bis die Bühne sie wieder verschluckt. Ein kurzer, unmittelbarer Moment der Verbindung.

 von Alexandra Ittner

Foto: Alice Fassina